Ein Bild von einer Toilette, deren Deckel aufgeklappt ist und auf der zwei Rollen Toilettenpapier stehen, so dass sich ein staunender Gesichtsausdruck hineininterpretieren lässt.

Das ist doch fürs Klo

|

Über Mikro- und Makroaggressionen

Neulich, in einer Runde von Männern, lockerer Austausch. Plötzlich dreht sich einer der Beteiligten zu mir, entschuldigt sich – und spricht über TikToks, die man morgens um sieben auf dem Klo anschaut.

Mein erster Gedanke: Hä? Wieso entschuldigt der sich?

Ich konnte der Unterhaltung echt nicht mehr folgen, weil ich grübelte, wieso er sich bei mir entschuldigt hat. Bis es irgendwann Klick machte: Weil ich eine Frau bin und er über Toilettengänge gesprochen hat. Puh.

Wo fange ich an?

Klischees

Frauen essen und verdauen nicht?

Och nö.

Mikroaggressionen

Next: Othering: Der Fachbegriff für das, was da passiert ist. Indem er hervorgehoben hat, dass man in Anwesenheit von Frauen (immernoch???) nicht über solche Themen sprechen sollte, wurde eine unsichtbare Grenze zwischen mir und den anderen geschaffen.

Ich wurde also ausgegrenzt.

Ob das positiv oder negativ gemeint ist, sei dahingestellt.

Nervt. Aber auch das ist nicht mein Fokus.

Strukturen

Es geht mir ums Klo.

Seit Jahren möchte ich über Toiletten schreiben. Kein Witz. Und dann dachte ich immer: Das kann ich nicht bringen. Aber mir scheint: Ich muss. Pun intended.

Jede:r die schonmal beim Impro-Theater war, weiß: Irgendjemand aus dem Publikum schreibt immer „Klo“ auf einen der Zettel, den die Schauspielenden aufgreifen, um ihre Story zu entwickeln. Die eingangs beschriebene Situation war mein Zettel. Mindestens mein dritter, um genau zu sein.

Interkulturelle Besonderheiten

Los geht’s:

Das erste Mal wollte ich über Toiletten schreiben, als ich meine Weltreise machte: Baltikum, Russland, Mogolei, China, USA.

Warum?

Die Toiletten in der Transsib sind eine äußerst unangenehme Angelegenheit, zumindest in den günstigen Klassen: alte Zugtoiletten mit einem Pedal, mit dem man den Toilettenboden nach unten öffnen kann, so dass alles auf die Gleise fällt. Nach einer Weile steht das Wasser auf dem Boden um die Toilette – fragt mich nicht warum.
Der Boden ist glücklicherweise mit einem Gitter versehen, so dass man meist ein bisschen über der dreckigen Brühe steht. Wasserfeste Schuhe sind dennoch sehr zu empfehlen. Ansonsten haben die Toiletten in der Transsib den gleichen Charme wie Zugtoiletten allgemein …

In China gab es dann Stehtoiletten. Ich kannte das schon aus Südeuropa, aber so richtig zu schätzen gelernt habe ich sie in einer öffentlichen Toilette in der historischen Altstadt von Peking: eine lange Schlange, keine Trennwände, mehrere Stehtoiletten und eine Sitztoilette, ich die einzige Ausländerin, die fehlende Sauberkeit öffentlicher Toiletten und es war dringend …

Auch ohne Sprachkenntnisse merkte ich, dass die Umstehenden erwarteten, ich würde die freie Sitztoilette bevorzugen. Stattdessen wartete ich lieber wie alle anderen auch, bis eine Stehtoilette frei wurde.

Und ganz ehrlich: Ich würde eine verdreckte Stehtoilette jederzeit einer verdreckten Sitztoilette vorziehen. Ich wünschte, öffentliche Toiletten in Deutschland wären Stehtoiletten: Gesünder, leichter zu reinigen und wenn es eklig wird, dann wenigstens ohne Hautkontakt oder komplizierten Balanceakt.

Noch besser wären Pissoirs für Frauen. Gerne mit Trennwänden. Und nur falls jemand fragt: Ja, das geht. Wurden bereits entwickelt. Nur leider nicht verbaut (nachzulesen in „Das Patriarchat der Dinge“ von Rebekka Endler). Theoretisch lassen sich auch Männerpissoirs von Frauen nutzen. Allerdings hätte ich gerne mehr Privatsphäre, wenn ich die Hose runter lasse …

Makroaggressionen

So richtig beschäftigen mich Toiletten aber, seitdem ich in die Technik gewechselt bin: Es gibt oft nämlich einfach keine. Vor allem in älteren Gebäuden. Zumindest nicht für Frauen. Und da wären wir wieder beim Othering.

Beispiele gefällig?

Während meines Vorpraktikums musste ich in der Produktion die Etage wechseln und die Toilette der ehemaligen Sekretärin benutzen.

An der Hochschule Karlsruhe durfte ich dann die Pausen damit verbringen, mit den anderen Frauen vor der einzigen Frauentoilette der Etage zu warten oder in ein anderes Gebäude zu laufen, damit ich nicht so lange rumstehen musste.

Im ersten Stock wurde die Frauentoilette irgendwann kommentarlos ausgebaut. Und so blieb es dann.

Verrückterweise wurde auf einem Stockwerk die große Toilette mit 5 oder 6 Kabinen zur Frauentoilette erklärt. Die Einzeltoilette ist dort für die Männer.

Ja. Ich bin für mehr Frauen in der Technik. Und auch für vorausschauende Architektur. Aber das ist doch absurd! Und die Lösung ist – zumindest dort – so einfach: Unisex-Toiletten mit Kabinen um die Pissoirs. Fertig.

Mir ist bewusst, dass manche Personen sich in gemischten Toiletten nicht sicher fühlen. Aber die Einzeltoiltetten wären ja weiterhin vorhanden. Für alle Geschlechter.

Diese Strukturen zu ignorieren bedeutet, Frauen mutwillig das Gefühl zu geben „Ihr seid hier nicht vorgesehen.“ Zumindest nicht mehr als eine.

Denn selbst wenn wir noch lange nicht bei 50:50 in der Technik angekommen sind:

Und, nur für den Fall, dass noch irgendjemand Zweifel daran haben sollte: Frauen verdauen ihr Essen auch. Ihr dürft darüber reden. Wir gehen ganz normal aufs Klo. Also erwarten wir auch eine gleichberechtigte Anzahl an Toiletten.

Und, das muss ich noch dringend loswerden: Die bemisst sich NICHT an der Quadratmeterzahl, sondern an der Anzahl verfügbarer Toiletten – meinetwegen gerne auch in Form von Frauenpissoirs mit Privatsphäre.